Zeittafel der Entwicklung von Flüssigkeitsraketen
1903 Konstantin Ziolkowski beginnt in Russland mit wissenschaftlichen Aufsätzen über Raketen in der Weltraumfahrt und beschreibt als Erster die grundlegende Kinematik einer Rakete mit der berühmten Raketengleichung.
1923 Hermann Oberth veröffentlicht das Buch „Die Rakete zu den Planetenräumen“ mit einer Vision der bemannten Raumfahrt auf der Basis von Flüssigkeitsraketen
1926 Robert Goddard startet erfolgreich eine Flüssigkeitsrakete
1927 Johannes Winkler gründet in Breslau den „Verein für Raumschifffahrt“
1928 Max Valier führt Versuche mit raketengetriebenen Schlitten, Schienenwagen und auch Autos u. a. auf der AVUS in Berlin durch
Fritz von Opel startete erstmals ein mit 6 Pulverraketen bestücktes Segelflugzeug auf dem Flughafen Frankfurt am Main
1929 Der „Verein für Raumschifffahrt“ wird 1929 nach Berlin verlegt und Hermann Oberth wird der neue Präsident. Wichtige Mitglieder sind: Rudolf Nebel, Klaus Riedel, Rolf Engel, der 16jährige Wernher von Braun, Hans Bermüller,
Paul Ehrmayer, Helmut Zoike und Kurt Hainisch
1929 Dr.-Ing. Karl Emil Becker, Oberstleutnant der Reichswehr, erhält vom Reichswehrminister Groener den Auftrag, die Verwendung von Raketenantrieben zu erproben
1929 Mitglieder des „Vereins für Raumschifffahrt“ beginnen in Zusammenarbeit mit der Industrie (Junkers-Dessau, Heylandt-Berlin) mit Flüssigkeitsantrieben zu experimentieren
1930 Dipl.-Ing. Walter R. Dornberger, Hilfsreferent der Ballistischen Abteilung des Heereswaffenamtes, nimmt im Frühjahr 1930 Kontakte zu den einzelnen Erfindergruppen auf und unterstützt diese teilweise
1930 Der Student Eugen Sänger befasst sich in Wien mit der Raketentechnik im Weltraum und entwickelt Vorstellungen, den Weltraum mit einem Raketen-Flugzeug zu erreichen. Er erfindet die regenerative Kühlung der Schubdüse
und wird später neben v.Braun zu einem der bedeutendsten Raketeningenieure. Er arbeitet auf der Versuchsstelle in Trauen, dem Pendant der Luftwaffe zu Kummersdorf.
Nach dem Krieg wird er wie viele Kollegen in Frankreich arbeiten; später wird er Professor an der TU Berlin. Die ehemalige Luftwaffenversuchsstelle ist heute eine zivile Einrichtung und befasst sich u.a. mit Raketentechnik.
1930 Rudolf Nebel eröffnet im September 1930 den „Raketenflugplatz Berlin“ in Tegel („Die Narren von Tegel“).
1932 Im Januar 1932 beginnt der Aufbau der Raketenversuchsstelle „Kummersdorf-West (VersWest) im Bereich des Schießplatzes Kummersdorf.
1932 Die Raketenspezialisten u.a. Rudolf Nebel und Wernher von Braun führen in Kummersdorf in Anwesenheit von Becker und Dornberger ihre 4m lange Flüssigkeitsrakete „Mirak III“ vor. Aufgrund des mäßigen Erfolges stellt das
Heereswaffenamt die Förderung des Raketenflugplatzes Berlin ein.
1932 Wernher von Braun erhält einen Anstellungsvertrag beim Heereswaffenamt. Er nimmt seine Arbeiten in Kummersdorf im November 1932 auf.
1932 Der erste Brennversuch mit einem Raketentriebwerk (Ofen) missglückt in Kummersdorf lt. General Dornberger im Dezember 1932 (s.o.).
1933 Erste erfolgreiche Triebwerksversuche mit einem Schub von 300 kg durch v. Braun in Kummersdorf. Entwicklung des Aggregats 1 (A1), Fertigung von drei Versuchsmustern.
1934 Promotion v.Braun im April 1934 über die Versuche mit Raketentriebwerken an Kummersdorfer Prüfständen zum Dr.phil. (!!). Ein originalgetreues Modell des Prüfstandes PII kann man im Museum sehen.
Es wurde von unserem Mitglied Thomas Breit mit einem 3D-Drucker angefertigt.
1934 am 16. Juli, kamen Kurt Karl Georg Wahmke und zwei seiner Techniker bei der Explosion eines mit 90%igem Wasserstoffperoxid-Alkohol-Gemisch betriebenen Raketentriebwerkes ums Leben.
1934 Das Aggregat 2 (A2) wird im Dezember 1934 erfolgreich auf der Insel Borkum erprobt. Dazu werden zwei kreiselstabilisierte Raketen (Max und Moritz) gebaut. Mit einem Alkohol/Flüssigsauerstoff-Antrieb werden 300 kg Schub
und eine Höhe von 2200 m erreicht.
1935 Beginn der Entwicklung des Aggregats 3 (A3) als Versuchsrakete mit einem Schub von 1,5 Tonnen auf VersWest in Kummersdorf. Auch von diesem Prüfstand PIII gibt es ein originalgetreues Modell,
angefertigt von unserem Vereinsmitglied Thomas Breit.
1935 Im Juni 1935 legt Wernher von Braun Heer und Luftwaffe ein Konzept über eine „Raketenversuchsanstalt“ mit dem Leitgedanken „Alles unter einem Dach“ vor.
Die Vorlage des Konzeptes gilt als die Geburtsstunde von Peenemünde
1936 Im April 1936 wird die Errichtung der Heeresversuchsanstalt Peenemünde beschlossen
1936 Der Triebwerkstechniker Dr. Walter Thiel beginnt seine Tätigkeit in Kummersdorf, erste Umrisse des Projektes Aggregat 4 (A4) entstehen.
1936 Weiterer Ausbau der Prüfstände in Kummersdorf. Beginn der Entwicklung des A4-Triebwerkes mit einem Schub von 25 Tonnen
1937 Flugkapitän Erich Warsitz fliegt im Sommer 1937 in Neuhardenberg mit dem in Kummersdorf entwickelten Raketentriebwerk eine Heinkel He 112
1937 Vier Versuchsmuster der Rakete A3 werden auf der Greifswalder Oie gestartet. Sie misslingen alle, weil die Steuerruder im Verhältnis zu den festen Rudern zu klein sind.
1938 Die Versuchsreihe Aggregat 5 (A5) beginnt. Die A5 erreicht Gipfelhöhen bis 12 000 m. Die A5 ist eine modifizierte A3 mit besseren flugtechnischen Eigenschaften und einer verbesserten Steuerung.
Es werden insgesamt über 100 Testflüge durchgeführt.
1939 Hitler besucht die Versuchsstelle Kummersdorf-West und lässt sich Triebwerke und eine A5 im Brennversuch vorführen.
1939 Das erste Raketenflugzeug der Welt, eine He 176, fliegt in Peenemünde mit einem neuen Triebwerk.
1939 Konferenz in Kummersdorf zu Raketenantrieben unter Einbeziehung deutscher Hochschulen
Vom A4 zur V2
1940 Erster Brennversuch mit einem 25-Tonnen-Triebwerk in Peenemünde
1940 Erster Entwurf einer zweistufigen Interkontinental-Rakete
1942 Durchführung eines Versuchsschießens mit Raketen von einem getauchten U-Boot aus
1942 Erster erfolgreicher Start eines A4 nach 12jähriger Entwicklung. Das A4 erreicht eine Höhe von über 80 km und eröffnet damit perspektivisch die Eroberung des Weltraumes.
1943 Die industrielle Fertigung von A4 Raketen beginnt in Peenemünde. Wie überall während der Nazi-Herrschaft werden Zwangsarbeiter aus den besetzen europäischen Gebieten dabei eingesetzt;
insgesamt waren es Millionen von ihnen im „Reich“. Ohne sie wäre die alles umfassende Kriegsführung unmöglich gewesen.
Im August bombardieren englische Flugzeuge Peenemünde, dabei werden ca. 1200 Zwangsarbeiter getötet und u.a. der wichtigste Triebwerkskonstrukteur, Walter Thiel.
Daraufhin wird eine unterirdische Produktionsanlage im Südharz aufgebaut, Mittelbau Dora genannt. Um die 40 000 KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter müssen unter grausamsten, verbrecherischen Bedingungen kilometerlange,
hohe Tunnel in den Berg treiben. Als Produktionsziel sind mindestens 1000 V2, so wurde das A4 von der NS-Propaganda genannt, pro Monat vom „Führer“ gefordert; nur einmal wurde dieses Ziel annähernd mit ca. 800 erreicht.
Sonst waren es wesentlich weniger.
1944 Ab Herbst wird London mit der V2 beschossen. Bis zum Kriegsende werden dadurch im Gebiet London etwa 6000 Zivilisten getötet. Im gleichen Zeitraum sterben im Mittelbau Dora geschätzt 15 000 Zwangsarbeiter; es werden
also wesentlich mehr Menschen durch die Produktion der Waffe als durch ihre Wirkung umgebracht. Dies ist einzigartig in der Geschichte.
Wernher von Braun hat das gewusst und nichts dagegen unternommen, auch nicht erkennbar versucht. Trotz seiner späteren Erfolge wird er diesen Makel nicht mehr los. In seiner Person vereinigen sich leider verkürzt gesagt
Mittelbau Dora und der Flug zum Mond; eine Tatsache, die uns auch heute zum Nachdenken anregen sollte.
1945 Wenige Stunden bevor US-Truppen Gardelegen/Altmark erreichen, werden 1018 dorthin getriebene Zwangsarbeiter aus Mittelbau Dora noch in einer Scheune verbrannt. Im Mai besetzt die Rote Armee Kummersdorf und
demontiert später nach und nach die technischen Anlagen. Im Mittelbau Dora finden US-Truppen überlebende Zwangsarbeiter und Raketenbaugruppen.